Der Selige Petro Werhun
Märtyrer der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche
Im Leben Petro Werhuns spiegelt sich das Schicksal des ukrainischen
Volkes im letzten Jahrhundert wider. 1890 wurde er in Gorodok bei
Lemberg als
österreichischer Staatsbürger geboren, absolvierte nach dem Besuch der
Volksschule mit bestem Erfolg das ukrainische Gymnasium und die
Lehrerbildungsanstalt. Nachdem er den ganzen ersten Weltkrieg mitgemacht
hatte, trat er nach dem Zusammenburch der österreichisch-ungarischen
Monarchie in die ukrainisch-galizische Armee ein, um seiner Heimat die
Freiheit erkämpfen zu helfen. 1920 geriet er in polnische
Gefangenschaft, aus der er sich durch die Flucht nach Deutschland retten
konnte. Nun entschloss er sich, Priester zu werden, studierte an der
Karls-Universität in Prag Osteuropäische Kirchengeschichte, Ukrainistik,
Kunstgeschichte und Theologie. An der Ukrainischen Freien Universität,
die sich damals in Prag befand, erwarb er den philosophieschen
Doktorgrad (15.10.1926). Das große geistliche Oberhaupt des ukrainischen
Volkes, Erzbischof und Metropolit Dr. Andreas Scheptytzkyj, weihte ihn
am 30. Oktober 1927 in Lemberg zum Priester und sandte ihn im folgenden
Monat nach Berlin als Seelsorger der Ukrainer in Deutschland.
Es waren in den ersten Jahren vor allem zerstreute Arbeitskolonien
und landwirtschaftliche Saisonarbeiter, die er zu betreuen hatte, später
wuchs in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft, besonders ab
1939, die Zahl der zur Arbeit nach Deutschland angeworbenen und
zwangsweise verpflichteten Ukrainer auf etwa 1,5 Millionen an. Mit den
wenigen Priestern, die ihm zur Verfügung standen, suchte Petro Werhun,
der 1937 zum päpstlichen Hausprälaten ernannt wurde, die wachsenden
seelsorglichen Anforderungen zu bewältigen. Unermüdlich reiste er von
Ort zu Ort, misstrauisch von der Gestapo beobachtet, die 1939 schon
einen Ausweisungsbefehl erlassen hatte, der dann durch das Eingreifen
des päpstlichen Nuntius, Erzbischof Orsegnio, rückgängig gemacht werden
konnte.
Am 23. November 1940 errichtete Papst Pius XII. die Apostolische
Administratur für die katholischen Ukrainer in Deutschland und ernannte
Petro Werhun zum Apostolischen Visitator mit den Rechten eines
Apostolischen Administrators. Nun konnte er der Ukrainerseelsorge in
Deutschland eine organisatorische Struktur geben. Er gründete mehrere
Pfarreien und errichtete ukrainische Schulen in Bremen und Hamburg.
Unter seiner Administration waren etwa zehn Priester in der
Ukrainerseelsorge in Deutschland tätig.
In seiner apostolischen Weitsicht beschränkte er sich jedoch nicht
auf seine unmittelbare Aufgabe als Seelsorger seiner Landsleute, sondern
suchte, wo er konnte, einer fruchtbaren Begegnung von Ost und West zu
dienen und das Verständnis für die Ostkirche und ihre Reichtümer zu
wecken. In vielen Kirchen und Priesterseminaren Deutschlands hielt er
Ostkirchentage ab. Von besonderer Bedeutung wurde seine Verbindung mit
dem Älteren-Bund von “Neudeutschland”, der damals die Beschäftigung mit
der Ostkirche und den Problemen des Ostens in sein Arbeitsprogramm
aufnahm. Fahrtengruppen zogen nach Jugoslawien und Rumänien zur
religiös-kulturellen Betreuung der dortigen Volksdeutschen und um die
Ostkirche unmittelbar kennenzulernen. Es bildeten sich
“Ostkirchenkreise”,die Werhun zu Vorträgen und zur Feier der Liturgie
einluden.
Als Apostolischer Administrator wurde Petro Werhun sowohl von seinen
Priestern als auch von seinen Gläubigen geliebt und verehrt. Sie sahen
in ihm einen guten Hirten, der sein Leben für seine ihm anvertrauten
Schafe geben würde. Seine Priester schätzten ihn als Freund und Vater,
der anfallende Probleme auf gerechte Art löste, im Geist der
Nächstenliebe und der Toleranz seinen Mitbrüdern gegenüber. Diese
Haltung, die aus tiefem Glauben und enger Gottverbundenheit erwuchs,
erwartete er auch von den anderen Priestern. In einem Brief vom 8. Juni
1941 schrieb er: “Ich bin besorgt um Eure priesterliche Heiligung. Nur
jener, der aus der Fülle des geistlichen Lebens schöpft, kann dieses
Leben in die Herzen und Seelen seiner Gläubigen einpflanzen. Bitte sorgt
dafür, vor allem erfüllt zu sein vom Geist Gottes und der Göttlichen
Liebe …”
Besondere Liebe und Verehrung brachte Werhun der Gottesmutter Maria
entgegen. Am Fest Maria Schutz im Jahr 1943 weihte er alle Pfarreien und
Missionsstationen in einem besonderen Weiheakt der Gottesmutter. In
einem pastoralen Schreiben vom Oktober 1943 schreibt er dazu: ” Bittet
immer um Hilfe und die Gottesmutter wird euch immer vor allem Bösen
schützen. Dann werden unsere täglichen Sorgen nicht zu groß sein, um sie
bewältigen zu können; dann werden die Sirenen nicht erschrecken, weder
der schreckliche Lärm der Bombardierungen noch die Artillerie und
Maschienengewehrfeuer. Dann wird der Tod nicht ein Gegenstand zum
Fürchten sein. Denn die Gottesmutter und der Erlöser selbst werden bei
uns sein.”
Dann kam der Zusammenbruch des Jahres 1945. Um seinen 5.000
ukrainischen Landleuten in Berlin weiter dienen zu können, blieb Petro
Werhun in Berlin, statt sich wie geplant in die Benediktinerabtei
Niederaltaich zurückzuziehen, in die er 1938 als Oblate aufgenommen
worden war und wo er nach dem Ende seiner seelsorglichen Pflichten als
Mönch leben wollte. Am 22. Juni 1945 wurde er von den Sowjets
verhaftet. Am 27. Juni durfte er unter Bewachung nochmals in seine
Wohnung zurückkehren und einen Mantel, eine Schlafdecke und etwas Wäsche
mitnehmen. Danach fehlte jahrelang jede Spur – bis schließlich bekannt
wurde, dass ein sowjetisches Militärtribunal ihn wegen Kollaboration mit
dem Feind zu acht Jahren Zwangsarbeit verurteilt habe. Nach Verbüßung
der Strafe im Straflager Tajschat am Bajkalsee wurde er nach Ostsibirien
verbannt. Dort starb er am 7. Februar 1957 als Bekenner.
Am 27. Juni 2001 wurde Petro Werhun von Seiner Heiligkeit Papst
Johannes Paul II. während dessen Pastoralbesuchs in der Ukraine zusammen
mit 26 anderen Märtyrern, die während der nationalsozialistischen
Besatzung oder der kommunistischen Sowjetherrschaft aufgrund ihres
christlichen Glaubens ihr Leben verloren haben, selig gesprochen. Ein
Jahr später gelang es, in Angarsk in Sibirien das Grab Petro Werhuns
ausfindig zu machen und seine Gebeine zu heben. In den folgenden Jahren
kehrten seine Reliquien in seine galizische Heimat und an seinen
Wirkungsort Deutschland zurück. Im Verlauf seines ersten offiziellen
Besuchs in Deutschland im Mai 2006 übergab Seine Seligkeit Lubomyr
Kardinal Husar Reliquien des Seligen an das Erzbistum Berlin, das
Zentrum des geistigen Wirkens Petro Werhuns, und an die
Benediktinerabtei Niederaltaich. Auch in der Kathedrale Maria Schutz und
St. Andreas des Erstberufenen der Apostolischen Exarchie in München
werden Reliquien des Seligen Gründers der Exarchie aufbewahrt, wo er nun
für immer seinen Schutzbefohlenen, für die er sein Leben ließ, nahe
sein wird.
Quelle: http://www.ukrainische-kirche.de/wp/?page_id=205